Grandes Jorasses Nordwand "Colton-McIntyre"

Es sind schon einige Märze vergangen, da habe ich mir mit der Eiger Nordwand einen Traum erfüllt. Mit dem erfüllen von Träumen hat es neben allen positiven Seiten auch immer eine negative, der Traum ist weg, das was einen daran motiviert hat ist vergangen. Neben einer Selbstzufriedenheit stellt sich immer auch eine gewisse Leere ein. Dies zu Füllen bedeutet einen neuen Traum zu erschaffen der diesen Platz einnimmt. Nach dem Eiger war dies für mich die Colton-McIntyre Führe in der Grand Jorasses Nordwand. Um diese Führe wabbert ein etwas mysteriöser Nebel, nicht zuletzt durch das hervorragende Buch von Robert "Selig wer in Träumen stirbt".

Nach 3 Jahren warten, trainieren und Infos einholen, war es diesen Winter soweit. Die Verhältnisse waren gut, keine Selbstverständlichkeit in der Wand. Aber nach Ueli seiner Wahnsinnsbegehung im Solo in 2Std. 21min. war klar, dieses Jahr oder nie.

Korbinian Schmidtner aus dem aktuellen DAV Exped Kader begleitet mich, ohne Frage der richtige Partner für so eine Tour.

Als endlich ein genügend langes Wetterfenster offen war, brechen wir auf nach Chamonix. So aufgeregt wie schon lange nicht mehr vor einer Tour.

Nach der Zahnradbahn ergibt sich das übliche Bild über dem Mer de Glace, aber nicht weniger Faszinierend als sonst immer.



Heute leuchtet das Ziel weit hinten im Leschaux Becken, die Nordwand der Gande Jorasses. Wenngleich es gestern bereits Frühjahrsanfang war sind die Temperaturen eher die einer Winterbegehung, dies soll uns zumindest vor unangenehmen Steinschlägen bewahren.
Als wir an der Leschauxhütte ankommen ist es früher Abend, 2 Franzosen und 2 Polen sind schon oben, auch sie wollen die Intyre machen, wird ja ne riesen Party in der Wand.
Das Gute an der Leschauxhütte ist, man kann die Wand gut studieren, das war's aber such schon mit den guten Sachen in der Leschaux.



Unsere Führe sah eismässig ganz gut aus. Ich hoffte auf Trittschnee im unteren Teil, der uns schnell und seilfrei ans erste Couloir kommen lassen sollte.

Langsam füllte sich der kleine Winterraum der Hütte auch mit allerlei menschlichem aus aller Welt. Eine weitere Seilschaft aus Amerika bekundete einen Versuch in der Colton-McIntyre. 4 Seilschaften also, aha, das wird ja immer besser. Nun wird es aber Zeit zu schlafen, dank meines MP3 Players werde ich bald mit Bob Dylan ins reich der Träume genommen. Bis um 1Uhr jäh der Wecker die Realität in den Traum holt.

Die Polen und Franzosen sind schon fast aufgebrochen. Wir rüsten uns mit einem spartanischen Frühstück. Als wir aus der Hütte treten stehen die Polen wieder vor uns, ich bin etwas überrascht. Die Erklärung war ein Schmerz eines Seilpartners im Fuß. Eine Seilschaft weniger, irgendwie auch Schad, weil ich mir denke, das die Jungs auch nicht jeden Tag nach Chamonix kommen.

Wir kommen gut voran, für dass, das wir überhaupt nicht Akklimatisiert sind, geht es flott auf 3000m hoch, wo die erste Randkluft ist.

Die Franzosen klettern bereits über den Schrund als ein markerschütternder Schrei die Nacht zerreist. Was war los? Einer der Franzosen brach durch die dünne Schneebrücke und verletzte sich das Knie. Sie mussten bei Tagesanbruch den Hubschrauber holen.

Ich wählte nun also einen anderen Weg rechts über die Felsen die den Bergschrund begrenzen, M5 bei -20°C stockdunkel....irgendwie nicht so "easy going". Schon viel Zeit auf den ersten Metern gelassen, verdammt. Der 2. Schrund war dann einfach. Schnell nimmt unsere Seilschaft nun Fahrt auf. Am langen Seil durch das erste Eisfeld, leider kein Trittschnee, sondern Blankeis mit Auflage. Die Amis sind mittlerweile auf unserer Höhe, sie gehen seilfrei, mir wär's zu heikel, zudem eine Schraube auf 60m fast keine Zeit frisst.

Später als geplant am ersten Eisschlauch. Gott sei dank viel Plastelinschnee, lässt sich gut klettern und einigermaßen absichern.



Auch hier langes Seil um Zeit gut zu machen, direkt weiter in das 2. Eisfeld, die Eisfelder sind immer das "Ausruhgelände", sofern man sich in 60° Blankeis auf den Frontalzacken ausruhen kann.
Die Amis nehmen die Alexisvariante, da hier fettes Eis in einem dünnen Schlauch ist.



Wir gehen Original, um keine Zeit zu verlieren. Leider ist Original auch gleichzeitig wenig bis kein Eis. Ich klettere unter die Schlüsselpassage in der Felsbastion bis das Seil aus ist und kann einen guten Stand bauen.





Bini klettert von hier aus weg, 2-3m A0, bald aber frei in senkrechtem Schnee über den sperrenden Felsriegel hinweg "well done, man".



Das Gelände legt sich auf 70°-75° zurück und führt in das 3. Eisfeld. Die Amis kommen auch gerade aus ihrer Variante zurück.

Kurzer Plausch vor der Haedwall, verdammt trocken hier, wenig Eis viel loser Fels. Sieht giftig aus. Ich setzte mich gleich hinter die Amis, kann aber nicht an ihren Stand rüber, da er anscheinend sehr schlecht ist. Also 15m vorher Stand. Daher brauchen wir leider einen Stand mehr als die Amis um an den Walkerpfeiler hoch zu kommen. Sie ziehen davon, auch egal. Wir haben genug mit uns selber zu tun, schwer und brüchig hier oben, aber erstaunlicher Weise besser abzusichern als ich annahm, vielleicht ist mir zu so später Stunde ein 10m runout auch eher egal als noch am Tagesbeginn.

Langsam wird aber Gewiss, den Gipfel werden wir nicht mehr ganz schaffen, wir biwakieren 2SL vor dem Gipfel am Walkerpfeiler. Der Biwakplatz ist Ok, Steinschlagsicher und ermöglicht einen atemberaubenden Blick in die Wand unter uns.



Der Weiterweg sieht nun etwas leichter aus, das sollt mar schon hinbekommen.



Solange man am nächsten Morgen noch lachen kann ist das no ned so schlecht, das Biwak...gell Smile .





Der Morgen empfängt uns auch einer grandiosen Stimmung über dem Mer de Glace.



Nun heißt es Tee kochen und eine trockene Seele runterwürgen, gescheit gegessen haben wir seit 30h nicht mehr.

Die letzten Längen ziehen sich etwas aber um 11Uhr erreichen wir mit einem Freudenschrei den Gipfel. Eine 3 jährige Last fällt von einem ab, ich könnte die Welt umarmen, Bini tuts aber fürs erste auch.

Schnell zieht es zu wir müssen schauen das wir runter kommen, Gott sei dank haben die Amis hier oben irgendwo Biwakiert, so haben wir noch ihre frischen Spuren, diesen folgen wir durch das komplizierte Riesenlabyrinth den Jorasses runter.

Braucht viel Zeit hier abzusteigen, um 17Uhr endlich im Tal...GESCHAFFT. Eines meiner größten Ziele im Alpinismus ist geschafft. Wenn mir die Füsse nicht so weh täten würde ich einen Freudentanz aufführen.

Die riesen Pizza in Courmayeur und das Croissant am Morgen zählen zu dem besten was ich jemals gegessen habe...nach bald 48Std. ohne gescheitem Essen.

Ich bedanke mich ganz herzlich bei Korbinian der dieses Abenteuer mit mir angegangen ist. Aber auch ganz ausdrücklich bei meinen anderen Seilpartnern speziell auch dem Frank und Axel für die unzähligen Touren vorher, die letzten Endes auch dazu beitragen, das man auf den Punkt die Leistung abrufen kann....Vielen Dank euch allen.

Viele Grüße euer Stef.
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Facts:
Grandes Jorasses Nordwand
direkte Route - Colton McIntyre
EB: N. Colton A.McIntyre 6./7.08.1976
(Zählt bis heute zu den schwersten Extremklassikern der Alpen)
1200m VI 6 M6 od. ED3 VI A0 90°
15-20h + langer Abstieg (7h)

6 Eisschrauben (2 kurz); Camalots 0.25-2 (einfach); 6 Haken (3 Knife+2 V+1 Drehmoment); 60m Seile; Biwakausrüstung; Eisausrüstung.

Schlüssellänge auch bei wenig Eis möglich (A0, 3 Haken in-situ).
Generell Objektiv gefährlich; Nur bei Minustemperaturen zu Begehen.